Wer kennt es nicht – Sonnenschein, unverspurter Pulverschnee und schmerzende Füße? Ich hatte über viele Jahre und viele Ski- und Tourenschuhe lang immer Probleme damit, den passenden Schuh zu finden. Einmal zu eng, dafür aber gute Performance und einmal zu groß und bequem, dafür keine gute Abfahrtsleistung.
Ich war fast am Verzweifeln, als mich dann eine Werbung in den sozialen Medien auf „Das Bootfitzimmer“ in Hallein aufmerksam machte. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt meinen sechsten Skischuh in fünf Jahren und auch dieser passte mir nicht wirklich. Also beschloss ich mich an Jack, dem Chef des Bootfitzimmers, zu wenden – und siehe da, ein paar Sitzungen, ein neuer Schuh, diverse Umbauten und Adaptionen später hatte ich einen Schuh, der meinen Ansprüchen entspricht. Ich konnte es kaum glauben – neun Stunden am Berg in einem Skischuh und dann noch ein paar Kilometer zum Auto Ski tragen, ohne dass ich mir den Schuh unter Schmerzen vom Fuß zerren musste. Und dennoch ein Schuh, der in der Abfahrt ordentlich zu überzeugen weiß, und zwar nicht nur im Gelände auf Touren oder in steilen Rinnen, nein auch auf der Piste ist er zu meiner Allzweckwaffe geworden.




Mein Franken-Schuh ist ein Lange XT 3 LV 130 mit gedehnter Zehenbox, einem Fersenkeil, einem Spoiler am Innenschuh und an der Schale, einem anderen Powerstrap und einem Zipfit Innenschuh. Waren diese Veränderungen nötig fragt sich der eine oder andere? Meine Antwort ein klares JA! Ich beneide jeden einzelnen, der mit einem Normfuß eines Schuhherstellers gesegnet ist – ich bin es nicht und bin überglücklich, endlich einen Schuh zu haben, der mir hoffentlich noch einige Zeit Freude bereitet.
Jack ist definitiv jemand, der sein Handwerk versteht und der auch auf die Wünsche und Anforderungen seiner Kunden bis ins Detail eingeht sowie vor einer Tüftelei nicht zurückschreckt.
Ich hatte das Vergnügen, ihm einige Fragen zu stellen, denn wie kommt ein Holländer nach Hallein und passt Skischuhe an Füße an?



- Warum hast du dich für Bootfitting entschieden?
Es hat mich schon immer gewundert, dass die Leute über die Schuhe schimpfen – Skifahren macht Spaß, oder?
- Wie bist du in Salzburg gelandet?
Liebe, Schnee, Berge und die Herausforderung, den Österreichern mit ihren Skischuhen zu helfen.
- Was ist dein Ziel bei einem Bootfitting? Gibt es Unterschiede zwischen einzelnen Kunden?
Mein Ziel ist es, die maximale Verbesserung zu schaffen, damit der Kunde wieder schmerzfrei Skifahren oder Snowboarden kann. Das Ergebnis ist sehr kundenabhängig und jeder Kunde bringt mit seinen vorhandenen Schuhen eine andere Situation mit sich.
- Wie beginnst du eine Bootfitting Session?
Normalerweise mit einem Kaffee, dem Vermessen beider Füße und vielen Fragen, um einen optimalen Einblick zu bekommen.
- Wie muss ein Skischuh passen?
Ein Skischuh sollte sich wie ein fester Händedruck anfühlen – ein schöner gleichmäßiger Druck über den gesamten Fuß.
- Gängige „Misconceptions“ beim Skischuhkauf?
„Ein Freund von mir kann sehr gut Skifahren und er verwendet die Marke „X“, also muss ich das auch haben.“ „Ich möchte nur schwarze Schuhe, weil das am besten zu meinem Ski-Outfit passt.“
- Was sind die großen Unterschiede von Alpin- zu Tourenschuhe?
Alpin Schuhe sind zum Alpinfahren und Tourenschuhe zum Tourengehen. Du gehst ja auch nicht mit deinem Rennrad ins Gelände radeln. Der große Unterschied liegt in der Beweglichkeit des Schaftes, dem Profil der Außensohle und dem geringeren Gewicht.
- Was gibt es über Schuhschalen zu erzählen
- Welche gibt es?
Grundsätzlich gibt es Skischuhschalen aus verschiedensten Plastikarten wie PU, TPU, Pebax, Nylon, Grilamid, etc.
- Konstruktion?
Die gängigste Bauart ist die zweiteilige – Schaft und Fuß. Aber es gibt auch dreiteilige Schuhe, welche auch als Cabrio-Design bezeichnet werden (bekannt durch Dalbello oder Fulltilt).
- Welche machen dir die Arbeit einfach/welche nicht?
Im Prinzip kann ich jede Schale bearbeiten, aber bei Schalen mit ganz weichem Plastik muss ich schon sehr aufpassen. Schwieriger sind da schon Schuhe mit Carbon-Plastikgemischen, aber auch das ist nicht unmöglich.
- Was sagt der Flex-Wert?
Der Flex-Wert sagt eigentlich nichts aus – es gibt keine Normierung für diesen Wert. Generell kann man aber sagen, dass ein höherer Flex-Wert sportlicher zu fahren ist.
- Gibt es Kategorien der Leistenbreite?
Die Leistenbreite ist bei jeder Marke anders. Gängig sind allerdings 92 mm, 97 mm, 100 mm, 102 mm und 104 mm.





- Wie kannst du Schalen verändern?
Schalen werden entweder gedehnt oder gefräst. Um einen Schuh zu dehnen, wird dieser entweder mit Heißluft oder Infrarot aufgeheizt und dann mit Formen aus Holz oder Alu in die gewünschte Form gebracht, um die perfekte Passform zu liefern.
Kommen Fräsen zum Einsatz, wird die Schale je nach Stelle mit verschieden feinen oder groben Fräsen bearbeitet.
- Wie steif sollte eine Schale sein?
So steif wie dein Körper es zulässt. Faktoren wie Mobilität, Flexibilität oder versteifte Gelenke spielen hier eine wesentliche Rolle. Natürlich sieht es für Alpinrennläufer wieder anders aus, aber steifer ist auch hier nicht immer besser.
- Welche anderen Teile kannst du beeinflussen bzw. verändern?
Winkel des Schaftes (Cuff-canting), der Stand der Sohle (Sole-canting), Bootboard/Zeppa (die Sohle, die in der Schale ist), Innenschuhe, Einlagen, Straps, Schnallen, … fast alles!
- Wie wichtig sind die Innenschuhe für die Performance?
Gemeinsam mit der richtigen Einlage wahrscheinlich der wichtigste Ansatzpunkt für die Verbesserung der Performance des Schuhs.
- Wie können Innenschuhe die Passform verbessern?
Mit angepassten Innenschuhen verteilt sich der Druck im Schuh besser – gleichmäßiger. Der Fuß hält ungleich besser im Schuh, was zu einer besseren und direkteren Kraftübertragung führt. Zusätzlich sind die Füße meistens wärmer.
- Unterschiede Stock-Liners zu Zipfit oder Sidas?
Die Standard-Innenschuhe sind nicht schlecht, aber es gibt einfach bessere! Es gibt thermo-angepasste Innenschuhe (Sidas, Palau, Intuition u.a.), Foam-Liners [geschäumte Innenschuhe] (Sidas, Bootdoc, Strolz u.a.), Kork-Liners (Zipfit) und Parafin-Liners (Head).
Der Schaumstoff, den die Hersteller für die Stock-Liners verwenden, ist sehr weich und hält leider nicht so lange. Der Schaum wird dünner und der Halt im Schuh lässt nach.
Der durch einen Custom-Liner erreichte Halt, das direktere Fahrgefühl und die wärmeren Füße sind eine derart große Verbesserung, dass man, einmal mit einem perfekt angepassten Innenschuh gefahren, immer mit so einem Innenschuh fahren möchte.
- Was sind schwierige Füße oder Probleme, die dich vor ein Rätsel stellen?
Es gibt keine schwierigen Füße – nur schwierige Lösungen. Jeder Kunde ist ein neues Rätsel und eine neue Herausforderung. Wenn man sich informiert und mit Kollegen redet kommt man fast immer zu einer Verbesserung.
- Was sind einfache Füße oder Probleme?
Zwei Füße sind niemals gleich und sind allein deswegen schon so kompliziert! Einfach zu lösende Problemstellen sind normalerweise Überbeine – aber sicher nicht immer!
- Wie wichtig sind Einlagen und warum?
Extrem wichtig! Die Füße sind dein Fundament und die brauchen die richtige Unterstützung und Stabilität, denn die Standardeinlagen bringen nichts. Mit einer angepassten Einlage werden der Stand, Halt und die Druckverteilung verbessert. Das kann soweit gehen, dass die Verbesserung des Standes im Schuh bereits viele Problemstellen beseitigen kann oder diese akzeptabel werden.
Es gibt verschiedene Philosophien, wie Einlagen angepasst werden können – völlig belastet, semi belastet oder komplett ohne Druck. Lass dich gut bei deinem Bootfitter beraten.
- Fersen- oder Zehenkeil – Was bringt das?
Ein Fersenkeil bietet mehr Halt in der Ferse, eine entspanntere Wade und mehr Vorlage im Schuh.
Ein Zehenkeil eliminiert das Problem, das mobile Zehen oftmals anfangen zu krallen und nach Halt suchen. Skifahren geht mit einem entsprechenden Keil wieder direkter und die Füße haben mehr Ruhe.
- Weitere Modifikationen?
Geht nicht, gibt’s nicht! The sky is the limit… aber Bootifitting ist immer der Versuch Verbesserung zu schaffen und man erwartet oft 100 %. Manchmal muss man aber schon mit 70 % zufrieden sein. Den zu 100 % perfekten Schuh gibt es nicht.
Danke Jack für den Einblick in deine Arbeit!




ZipFit Innenschuhe
Bei uns ist es im Breitensport gängig, den Innenschuh – oder Liner – des jeweiligen Herstellers für das jeweilige Modell zu verwenden. Ein wahrer Augenöffner für mich war dann die Tatsache, dass es Firmen gibt, die nur Innenschuhe fertigen. Eine davon ist ZipFit und hat für mich den maßgeblichen Unterschied in der Passform meines Schuhs gemacht. Das Modell Gara war zum damaligen Zeitpunkt das Allroundmodell und sorgt nicht nur für eine bomben Passform, sondern auch für eine wesentlich direktere Kraftübertragung und somit verbesserte Abfahrtsperformance. Inzwischen gibt es auch einen Touren-Liner von ZipFit, der wahrscheinlich besser zu dem, was ich mache, passen würde, aber solange mein Gara noch hält wird er nicht ausgetauscht – Never change a running system!
ZipFit verwendet am Schaft und um Knöchel sowie Vorfuß ein Korkmix-Material, welches sich unter Wärme den Konturen des Fußes anpasst und so den Raum zwischen Fuß und Schale optimal füllt. Im Vorfuß und Zehenbereich kommt ein sehr dünnes Material aus Neopren außen und Wolle innen zum Einsatz, was auch für warme Zehen sorgt. Am Schaft und der Zunge findet man auch noch Verstärkungen aus Plastik und das Ganze wird durch ein super Schnell-Schnürsystem vervollständigt.
Dieser Innenschuh war sehr wohl eine teure Anschaffung, hat aber definitiv mit dazu beigetragen, die Tage auf Skiern schmerzfrei genießen zu können. Wirklich bequem sind sie immer noch nicht, aber ich kann sie ohne Probleme über Stunden tragen und um das geht es ja schließlich. In meinem Fall muss ich mich wohl mit 85 oder 90 Prozent zufrieden geben, welche aber nicht einfach zu erreichen waren und ohne Jack nie erreicht worden wären.