August 2015 – Es war ein nasser Tag, an dem meine Freundin und ich beschlossen, unsere Tour entlang des Padjelantaledens abzubrechen. Das Wetter und vor allem der Regen machten es zu gefährlich, weiterzumachen. Die Flüsse waren weit über ihre Ufer getreten und an ein Durchwaten war nicht zu denken – vor allem, wenn man wie meine Freundin nicht zu den Größten zählt. Ein Versuch hätte neben einer nassen Freundin auch mit dem Verlust unserer Ausrüstung oder einer Verletzung enden können.
Seit nun zwei Jahren möchte ich mir den Traum verwirklichen und wieder nach Lappland. Es soll diesmal mit einem Freund entlang des Kungsleden gehen – von Vakkotavare nach Nikkaluokta mit einem Abstecher auf den Kebnekaise. Wie es mir bei meinem erneuten Ausflug in Schwedens Wildnis ergangen ist, könnt ihr in diesem Beitrag nachlesen.
Die Vorbereitungen
Ich hatte aus meinen Fehlern gelernt und habe bereits vor einem halben Jahr begonnen, meine Ausrüstung zu optimieren – hier zur Packliste vor dem Trip. Ich verwendete einen neuen, bequemeren Rucksack, habe mir einen neuen Schlafsack bzw. Quilt besorgt und habe alles nicht unbedingt Nötige von der Packliste gestrichen. Außerdem habe ich dieses Mal gezielt auf die Tour hintrainiert, um fit zu sein – ich bin vor meinem Schwedenurlaub einige Touren mit schwerem Gepäck gegangen. Von Tour zu Tour habe ich das Gewicht und die Distanz erhöht, um mich heranzutasten, bis ich mit 21 kg gut zurechtkam.
Die Anreise
Den Startpunkt meiner Tour zu erreichen, gestaltete sich einfach – mit dem Flieger nach Stockholm, und von dort mit dem Zug über Nacht nach Gällivare. Meine Wartezeit am Bahnhof in Stockholm versüßte mir dabei das „Espresso House“ – eine klare Empfehlung meinerseits!
Nachdem ich bereits zwei Mal mit dem Nachtzug gen Norden gereist bin, weiß ich, wie erholsam ein Liegeplatz ist und kann jedem die 25 € Aufpreis nahelegen. Außerdem gibt es ein (für schwedische Verhältnisse) nicht allzu teures Café im Zug, das unter anderem auch kaltes Bier und Chips verkauft – so konnten wir zum ersten Mal auf unseren Trip anstoßen.
Die Nachtzüge fahren nicht täglich, daher ist es ratsam, die Abfahrtstage mit einem Flug oder anderen Verkehrsmitteln zu koordinieren – hier die Homepage der schwedischen Bahn.
In Gällivare angekommen, mussten wir angenehmerweise nur 15 Minuten auf unseren Bus nach Vakkotavare warten. Die Busse fahren täglich zwei Mal, die Fahrpläne findet ihr auf der Seite von Länstrafiken Norrbotten.
Mit ein paar Zwischenstopps ging es (leider von schlechtem Wetter begleitet) nach Vakkotavare. Anders, als man es vielleicht erwarten würde, sind diese kleinen Orte auf den Karten oder im Internet keine Dörfer oder Ähnliches, es sind schlicht ein paar Hütten des STF (Schwedische Touristenvereinigung). Teilweise sind die Namen der Hütten weit über die Grenzen Schwedens hinaus bekannt – Singi, Kaitum, Nallo, Tjaktja und viele mehr. In den Hütten finden sich einfache Matratzenlager, Stockbetten und Kochgelegenheiten mit Gasöfen sowie Plumpsklos in der Nähe der Hütten. Manche dieser Häuschen haben sogar eine Sauna – es gibt kaum etwas Besseres nach einem kalten Tag, um sich wieder wohlzufühlen. Die Ausstattung der Hütten kann manchen Wanderkarten entnommen werden, auf denen entsprechende Symbole eingezeichnet sind – meine Karten bieten diesen Luxus leider nicht.
Neben den einfachen Hütten gibt es auch Fjällstations, die quasi Touristenzentren darstellen und auch den Luxus bieten, den sich der Tourist von Welt wünscht – hier wird eine etwas komfortverwöhntere Zielgruppe von Wanderern ins Auge gefasst.
Startpunkt der Tour
Gegen Mittag erreichten wir den Ausgangspunkt unserer Tour, die Vakkotavare-Hütten. Diese liegen direkt an der Straße von Gällivare an einem der großen Stauseen des Stora Sjofallet Nationalparks und bieten bei Schönwetter einen tollen Weitblick über den südlichen Teil des Nationalparks und des Akka-Massivs.
Wir verbrachten eine Nacht in der Hütte, da wir von der Anreise etwas geschlaucht waren und das Wetter noch ziemlich verregnet war – jedoch war für den kommenden Tag besseres Wetter gemeldet. Besonders toll fanden wir, dass man in dem kleinen Gemeinschaftsraum schnell mit den anderen Naturliebhabern ins Gespräch kommt und über so manche Tour oder Ausrüstungsgegenstand fachsimpeln kann. Außerdem kann man die Hüttenwärter über die Gegend ausfragen und erfährt so den einen oder anderen Geheimtipp. Wer lieber seine Ruhe hat, kann sich aber auch ohne Probleme zurückziehen und sich nach der langen Reise etwas ausruhen.
Tag 1 – Vakkotavare – Zeltplatz kurz nach den Teusajaurehütten
Als ich am Morgen des nächsten Tages aus dem Fenster blickte, musste ich sofort „Nicht schon wieder Regen!“ denken. Aber was soll‘s, also rein in die Regenkluft und los ging’s. Der Weg schlängelte sich gleich neben den Hütten den Hang mäßig steil bergauf und glücklicherweise lichteten sich Wald und Wolken gleichermaßen und wir konnten den Blick auf das anschließende Hochplateau genießen. Am Übergang von Wald zu Bergtundra fanden sich ein paar nette Zeltplätze, von denen auch bereits einige „bewohnt“ waren.
Vorbei an kleinen Bächen und vom Regen der letzten Tage triefenden Wiesen und Sümpfe, erreichten wir mit gut 900 Höhenmetern gleich am ersten Tag quasi unsere Tageshöchstleistung. Nach einer kurzen Mittagspause in der Sonne ging es von nun an bergab und nur kurz wagte es ein kleiner Nieselregen, uns zu belästigen.
Langsam kam nun unser Tagesziel in Sichtweite, der See Teusajaure. Durch Birkenwald wanderten wir sanft zu dessen Ufer bergab, um an einem Steg einen Plastikkanister zu hissen und dem Hüttenwirt so zu signalisieren, dass wir auf eine Überfahrt warteten. Man hätte auch rudern können, nur ist dies vom südlichen Ufer des Sees bei (wie an diesem Tag) windigem Wetter gefährlich, da man schnell abgetragen wird und nur mit Mühe zu den Hütten am anderen Ufer kommt. Wir konnten eine Gruppe aus zwei jungen Frauen und einem Mann beobachten die fast eine Stunde mit Wind und Wetter kämpften und teilweise über 150m abgetragen wurden. Der Mann der gerudert war, war auf der anderen Seite so erschöpft, dass sie ihren Trip dort über Nacht pausieren mussten.
Trocken und nicht vom Rudern erschöpft (dafür um ein paar Euro pro Person ärmer) kamen wir bei den Hütten an und entschieden uns, den Anstieg auf das Hochplateau hinter den Hütten auf Rat der Hüttenwirtin noch zu bewältigen. Wir wurden mit einem wunderbaren Panorama belohnt und stellten anschließend unser Zelt 5 Minuten von einem Bach entfernt auf einer Terrasse am Übergang vom Birkenwald zum Bergplateau auf. Mittlerweile zeigte sich auch vermehrt die Sonne, die die nächsten Tage unsere Begleiterin werden sollte. So ließen wir den ersten Tag gemütlich vor unserem Zelt ausklingen.
Tag 2 – Zeltplatz Teusajaure – Zeltplatz am Tjäktjajåkka
Nachdem wir gefrühstückt und wieder alles in unseren Rucksäcken verstaut hatten, konnte es weitergehen. Da wir den Anstieg, der normalerweise zu dieser Etappe gehört, bereits am Vortag hinter uns gelassen hatten, konnten wir fast ebenes Gelände genießen. Die letzten Wolken lichteten sich im Laufe des Tages und es wurde immer sonniger.
Ursprünglich wollten wir einen Berg besteigen, der nördöstlich der Kaitumjaure-Hütten liegt, jedoch war bereits aus der Ferne erkennbar, dass noch zu viel Schnee auf dessen oberen Drittel liegt, um ihn sicher erklimmen zu können. Wir beschlossen also, stattdessen einen Abstecher auf einen weglosen Berg am Wegesrand zu machen, der auch auf der Karte durchaus machbar aussah – ein Nebengipfel des Livamcohkka mit 1224 Höhenmeter.
Nach einigen Höhenmetern legten wir unsere Rucksäcke ab und erklommen die letzten 300 Höhenmeter ohne Gepäck. Die Wegfindung war schwierig, da es sich zum größten Teil um grobes loses Blockgelände und Geröll handelte. Als wir den Gipfel erreichten bot sich aber eine einmalige Rundumsicht in die Nachbartäler. Nach kurzer Rast ging es retour zu den Rucksäcken und querfeldein ins Tal des Kaitum zurück zum Weg. Im Kartenausschnitt habe ich den Gipfel mit einem Bleistift markiert.
Der Kungsleden verläuft ab hier im Tal durch lichten Birkenwald und folgt grob dem Fluss Kaitumjåkka, bis man diesen auf einer Brücke quert. Weiter durch immer dichteren Wald und über vereinzelte Moore, gelangt man schließlich zu den Kaitumjaure-Hütten.
Diese liegen ein Stück oberhalb des Sees und bieten eine herrliche Aussicht. Das Kaitumtal ist im Übrigen die Region Schwedens mit den größten Elchen, da man sie hier nicht jagen darf und sich die Population frei entwickelt. Leider konnten wir keinen Blick auf eines der imposanten Tiere werfen – dafür begegneten uns aber andauernd ihre Exkremente!
Nach unserem Mittagessen gönnten wir uns noch ein paar Chips und beschlossen dann, noch ein paar Kilometer weiterzugehen.
Nach den Hütten verläuft der Weg entlang eines anderen Flusses, der von Sälka vorbei an den Singi-Hütten bis in den Kaitumjaure fließt – der Tjäktjajåkka. Dank des flachen Geländes und den wenigen Anstiegen kamen wir schnell voran und schlugen unser Zelt direkt neben dem Fluss auf, in dem wir uns als Abschluss des Tages noch eine Katzenwäsche gönnten – was bei den gefühlten Null Grad sehr erfrischend war.
Tag 3 – Zeltplatz am Tjäktjajåkka – Zeltplatz am Westweg des Kebnekaise
Am dritten Tag ging es weiter den Fluss aufwärts bis zu einer Weggabelung, an der wir uns nordöstlich Richtung Kebnekaise Fjällstation orientierten und einen Hang aufwärts wanderten. Teilweise über Bohlenwege und teilweise über einen schmalen Pfad, erreichten wir eine kleine Hochebene umringt von steilen Bergflanken. Inmitten des Plateaus lag ein See, an dem wir Mittag machten. Die Aussicht war herrlich, aber leider mussten wir weiter, da unser Ziel der Fuß des Kebnekaises war.
Also ging es bergab in ein Tal, wo wir ziemlich flach dahinwanderten. Links und rechts vom Weg erhoben sich steile Wände, die zu den höchsten Bergen Schwedens gehören. Nach ein paar Stunden des Wanderns standen wir dann in einem sich erweiternden Tal, wo sich bereits viele Touristen tummelten, die von der Kebnekaise Fjällstation ins Tal vordrangen.
Wir schlugen unser Lager am Westweg des Kebnekaise auf, den wir am nächsten Tag besteigen wollten.
Tag 4 – Besteigung des Kebnekaise über den Westweg
Seit Monaten nervte ich bereits mein Umfeld mit der Tatsache diesen Berg zu besteigen. Warum genau dieser Berg bereits im Vorfeld so eine Vorfreude in mir weckte, kann ich nicht genau sagen. Davor zu stehen und zu wissen, dass es nun endlich die Hänge hoch geht machte dieses Gefühl noch stärker. Leider sollte diese tolle Tour durch Knieprobleme getrübt werden.
Für die Tour auf den höchsten Berg Schwedens nahmen wir nur das Nötigste mit und folgten dem Vestraleden wieder taleinwärts, diesmal jedoch nicht am Talboden, den wir am Vortag entlanggekommen waren, sondern bereits an der nördlichen Talseite. Nach einer halben Stunde bogen wir rechts in das Tal Kittelbäcken ab und stiegen mäßig steil empor. Von nun an machten wir schnell Höhenmeter und erreichten ein kleines Hochtal, an dem noch ein paar Zelte standen. Während wir uns links hielten, ging es steil, teilweise über Treppen, hoch in einen Sattel. Ab hier hielten wir uns nördlich und erklommen den Gipfel Vierranvarri. Leider ging es jetzt 250 Höhenmeter wieder bergab in das Kaffedalen, wo ein Schneefeld zu queren war, ab diesem Zeitpunkt aber nur mehr bergauf. Eher steil und teilweise über grobes Blockgelände, kamen wir dem Gipfel immer näher und ehe wir uns versahen, wurde es flacher und die Schneefelder begannen. Über Schnee wanderten wir die letzten 200 Höhenmeter Richtung Gipfel und hinter den drei Schutzhütten sahen wir bald in der Ferne den Gipfelgrat. Als wir uns die letzten Meter hochgekämpft hatten, konnten wir es kaum glauben, aber wir hatten es geschafft – trotz starker Knieschmerzen und wechselhaftem Wetter – wir standen endlich auf dem höchsten Berg Schwedens!
Am Gipfel genossen wir kurz die Aussicht, die leider etwas durch Wolken getrübt wurde und machten einige Fotos. Für eine größere Pause war es zu kalt und wir mussten Platz machen für die nächsten Wanderer die ebenfalls auf den Gipfel wollten.
Wir folgten dem gleichen Weg hinunter und mussten leider ab der zweiten Hälfte des Abstieges im Regen gehen. Nach gut 10 Stunden anstrengendem Auf- und Abstieg erreichten wir endlich durchnässt unser Zelt, wo wir ohne Abendessen gleich in unsere Schlafsäcke krochen.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass es sich bei der Besteigung des Kebnekaises um eine alpine Unternehmung handelt, welche nicht zu unterschätzen ist. Dennoch sahen wir Wanderer mit Laufschuhen und anderer unpassender Ausrüstung den Weg hochsteigen. Andere standen auf der Gipfelwechte und hatten Glück, dass diese nicht abbrach! Am Gipfel des Berges stand sogar ein „Bergführer“ und passte auf, dass niemand zu weit auf den Gletscher trat bzw. sich anderwärtig gefährlich verhielt.
Ich war schockiert, wie leichtsinnig oder unerfahren sich manche Wanderer und andere Touristen auf dem Berg verhielten. Sie lassen sich wahrscheinlich von der Aussicht, auf dem höchsten Schwedens zu stehen verleiten und überschätzen dabei ihre Fähigkeiten und Ausrüstung.
Möchtest du den Kebnekaise oder einen ähnlich anspruchsvollen Berg besteigen, so solltest du sich im Vorhinein gründlich über die Tour informieren und darauf vorbereiten, denn nur so kann das Risiko vermindert werden, dass etwas Schlimmes passiert.
Tag 5 – Zeltplatz am Westweg des Kebnekaise – Nikkaluokta
Geschlaucht und sehr müde vom Vortag machten wir uns in Richtung Fjällstation auf, wo wir noch einmal ordentlich pausierten, ehe es durch Birkenwald talauswärts ging. Der Weg verläuft ab hier in leichtem Auf und Ab grob einem Fluss entlang. Wir gönnten uns den Luxus, 6 Kilometer mit einem Boot über den See Láddjujávri abzukürzen, um meine von der Tour auf den Kebnekaise schmerzenden Knie zu schonen.
Zum Glück hatte ich meine verbliebenden Kräfte richtig eingeschätzt und wir kamen heil gegen 16 Uhr in Nikkaluokta, dem Endpunkt unserer Tour, an und freuten uns auf etwas zu essen, eine Dusche und die Sauna.
Am nächsten Vormittag ging es dann mit dem Bus nach Kiruna, wo wir ein paar entspannte Tage verbrachten, uns ausruhten und die Eindrücke der Tour verarbeiteten.
Insgesamt waren wir fast 90 Kilometer und beinahe 3000 Höhenmeter hinauf und wieder hinunter in diesen fünf Tagen gegangen. Der ein oder andere Pausetag hätte sicher gutgetan, das nächste Mal werde ich hier vielleicht umplanen.
Zusammengefasst kann ich nur sagen, dass die Trekkingtour auf diesem Teil des Kungsleden wunderschöne und abwechslungsreiche Landschaften bietet, die wir durch das tolle Wetter ausgiebig genießen konnten. Auch der Abstecher auf den Kebnekaise lohnt sich auf jeden Fall, nur sollte diese Besteigung nur von eher erfahrenen und gut ausgerüsteten Bergfreunden in Betracht gezogen werden. Mein Rat an euch: Seid nicht so stürmisch wie ich und legt ruhig den ein oder anderen Pausetag auf der Strecke ein, dann könnt ihr die Trekkingtour noch ein wenig entspannter genießen.
Ein Gedanke zu “Auf dem Kungsleden – Trekking in Europas letzter Wildnis”