Vegan zu leben, das ist nach all den Jahren für mich im Alltag mittlerweile zur Routine geworden. Wenn ich Fastfood-Restaurants links liegen lasse oder eine Tasche aus Stoff statt aus Leder kaufe, dann fühlt sich das nicht wie eine Belastung oder Verzicht an. Ich will mit meinem Handeln Tierleid vermeiden, die Umwelt schonen und nebenbei auch noch gesund leben – da ist der ein oder andere Kuchen, auf den ich verzichte, absolut kein Problem für mich. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, mit sehr wenig Aufwand viel Gutes tun zu können! Und ganz ehrlich, manchmal ist man doch einfach nur froh, wenn einem die Entscheidung sozusagen abgenommen wird, ob man diese Süßigkeit nun isst oder nicht – sorry, nicht vegan!
Wie ihr aber vielleicht in dem ein oder anderen meiner Beiträge schon gelesen habt, besitze ich dennoch einige Ausrüstungsgegenstände, die nicht vegan sind. Neben meinen Schuhen aus Leder und einigen Paar Socken und Shirts aus Merinowolle finden sich auch noch ein paar Sachen, die unter den Begriff „Kleinkram“ fallen, wie etwa ein Block Bienenwachs von Fjellräven zum Wachsen meiner Wanderhosen. Da ich meine sportlichen Hobbys sehr leidenschaftlich betreibe und mich nicht mit halben Sachen zufriedengebe, recherchiere ich immer sehr gründlich und wäge alle Pros und Kontras ab, bevor ich mich für ein Produkt entscheide.
Für vieles tierischen Ursprungs lässt sich eine gleich gute oder ähnlich zufriedenstellende Alternative finden, angefangen beim Trekkingessen (nachzulesen hier), Gürteln aus Stoff von Fjällräven, Schlafsäcken mit Kunstfaser- statt Daunenfüllung bis hin zu Kletterschuhen aus Kunstleder. Manchmal kann ich aber einfach keine für mich sportlich zufriedenstellende, vegane Lösung finden. Meine Freundin ist seit Jahren mit ihren komplett lederfreien Wanderschuhen der Kategorie B/C von La Sportiva aus der Trango Serie zufrieden, während ich auch nach langem Überlegen und Suchen einfach keine perfekt passenden Schuhe ohne Leder finden konnte, da hatte ich mit meinen Füßen einfach kein Glück.
Noch eindeutiger ist die Situation bei meiner Funktionskleidung aus Merinowolle. Wenn ich Sport mache, schwitze ich recht stark und gerade meine Füße stinken nach einiger Zeit echt bestialisch. Bei unserer ersten Tour hätte mich meine Freundin fast gezwungen, meine stinkenden Füße (damals noch in Kunstfaser-Socken) beim Schlafen aus dem Zelt zu stecken!
Socken aus Merinowolle – vor allem jene der Marke Smartwool – brachten (nicht auch Blasentechnisch) die Erlösung, denn ich kann mein Hobby einfach nicht freudvoll ausüben, wenn meine Kleidung nach wenigen Stunden so stark riecht, dass meine Freundin mich halb liebevoll, halb aggressiv „stinkender Elch“ nennt… So fanden über die Jahre immer mehr Socken und Shirts aus Wolle den Weg in meinen Schrank und ich kann fast geruchsneutral durch die Berge wandern.
Das Leben ist voller Kompromisse und das gilt eben auch für meine Überzeugung vegan zu leben. So wie ich im Ernstfall ein Medikament mit Lactose (Milchzucker) oder Gelatine einnehme oder eine fair gehandelte Baumwoll-Jeans kaufe, auch wenn daran ein kleiner Aufnäher aus Leder dran ist, so gehe ich auch manchmal Kompromisse zwischen meiner veganen Lebensweise und meinem Hobby, dem Bergsport ein. Alles in allem finden sich aber unter dem (etwas bedenklich großen) Haufen an Ausrüstungsgegenständen und Kleidung nur sehr wenige Sachen aus Leder oder Wolle, denn etwas „Unveganes“ zu kaufen, ist für mich immer ein sorgfältig abgewogener Kompromiss.
Fazit: Niemand sollte sich schlecht fühlen, ab und zu Kompromisse einzugehen, um seine Leidenschaft ausleben zu können. Meine Freundin begann vor zwei Jahren, Geige zu spielen und kaufte sich dazu einen Bogen mit Pferde-Schweifhaaren, denn eine akzeptable Alternative gibt es dazu leider nicht und alle gebrauchten Bögen waren zu teuer für sie. Wäre sie diesen Kompromiss nicht eingegangen, könnte sie dieses Hobby wahrscheinlich nicht ausüben. Dass wir seit mehreren Jahren jeden Tag vegan essen und auch sonst im Alltag auf Umweltschutz, Menschen- und Tierrechte achten (Stichwort fair produzierte Kleidung – auch das ist im Bergsport nicht gerade einfach!) macht es uns leichter, ab und zu eine Ausnahme zu machen.
Wenn ich nach einem langen Wandertag auf der Berghütte einkehre und es dort kein veganes Essen gibt, stört mich das nicht weiter. In diesem Moment ist mir viel wichtiger, das schöne Panorama zu genießen – und das bitte ohne, dass mich der Gestank meiner Füße um den Verstand bringt.
2 Gedanken zu “Vegan am Berg – von Leidenschaft und Kompromissen”