Zu Beginn meiner Wanderkarriere hatte ich, so wie wahrscheinlich jeder, der mit dem Bergsport beginnt, lediglich ein Paar Schuhe – feste schwere Lederschuhe, die hoch bis zur Wade gehen – nach dem Motto: „Am Berg braucht man g`scheite Schuhe!“. Wasserdicht dank Gore-Tex, aber auch sehr steif, schwer und extrem warm, dementsprechend schwitzt man im Sommer schon ordentlich darin. Erprobt sind sie aber und sehr robust – die paar hundert Kilometer, die ich in den Lederstiefeln gelaufen bin, sieht man ihnen kaum an und ich bin bis jetzt ohne Blasen geblieben.
Ich mag diese Schuhe noch immer, jedoch hat sich deren Einsatzbereich verändert. Ich würde sie nur noch verwenden, wenn es kalt und nass ist und ich einen robusten, hohen Schuh benötige – zum Beispiel in Island, im herbstlichen Skandinavien oder in den Alpen, bevor der Schnee fällt.
Vor einem Jahr setzte ich mich mit dem Thema Zustiegsschuhe auseinander und habe über einige Vorteile dieser Art von Schuhe gelesen – leicht, angenehmes Abrollverhalten, viel Freiraum im Knöchelbereich und toller Grip am Fels. Auf der Suche nach meinem idealen Zustiegsschuh habe ich mich schlussendlich für den Salewa Wildfire Pro entschieden. Es ist ein sehr flacher Schuh, der auf den ersten Blick eher an einen Hybriden aus Kletter- und Wanderschuh erinnert. Ich entschied mich für die Variante ohne Gore-Tex-Membran, da ich diesen Schuh großteils im Sommer und am Fels nutzen wollte und mir durch den Verzicht auf die Membran mehr Atmungsaktivität erhoffte. Es gibt dieses Modell aber auch in einer Version mit Gore-Tex und ebenfalls ein Modell mit einer etwas weicheren Sohle und einem Mesh- Außenmaterial (mit oder ohne Gore-Tex).
Der Schuh
Das sagt der Hersteller:
„Der Wildfire Pro ist ein Halbschuh für den Zustieg mit technischem Anspruch für Bergsteiger-Profis. Auf dem neuesten Entwicklungsstand besitzt unser erfolgreicher Wildfire innovative Merkmale und bietet damit eine einheitliche Lösung, der man blind vertrauen kann, wenn aus Wandern Klettern wird oder das Klettererlebnis eine Wanderung mit einbezieht.“
Die Schuh hat eine Vibram Megagrip-Sohle, die ihren Name zurecht trägt. Beim ersten Einsatz auf einem Klettersteig fühlte ich mich sehr sicher, auch beim Ansteigen kleinerer Tritte im Fels. Die Zehenbox fällt sehr flach aus und könnte dem Einen oder Anderen unangenehm auffallen – auch ich war am Anfang diesbezüglich skeptisch und musste mich erst ein wenig daran gewöhnen, aber mittlerweile empfinde ich den engen Sitz im Vorfuß- und Zehenbereich als sehr angenehm.
Die Zunge ist auch eher eigenwillig – eigentlich ist es nur eine Verlängerung des Materials, das überlappend den Fuß von außen umschließt. Die Zunge und das umliegende Material sind durch Stretchmaterial verbunden, welches Steine oder ähnliches vor dem Eindringen hindert.
Die Schnürung reicht weit nach vorne und ermöglicht es, den Schuh an den jeweiligen Einsatz anzupassen – im Zehenbereich etwas enger geschnürt für Kletterpassagen oder im oberen Bereich enger geschnürt zum Bergabgehen.
Ein weiteres Feature ist das “3F-System” – ein Band, welches beidseits von der Sohle im
Fersenbereich und der Schnürung an der Vorderseite um die Ferse herum reicht. Dieses
System ermöglicht spürbar mehr Halt in der Ferse.
Review
Ursprünglich wollte ich den Schuh für Zustiege zur Kletterwand oder für Klettersteige nutzen. Nach den ersten Touren gefiel mir der Schuh aber so gut, dass ich ihn eigentlich für alle nicht-alpinen Unternehmungen in den warmen Monaten trage. Er bietet natürlich nicht so viel Seitenhalt wie ein knöchelhoher Wanderschuh und ist demnach nichts für Menschen, die gerade mit Wandern beginnen oder generell zum Umknicken neigen. Das Abrollverhalten ist hervorragend und im Gegensatz zu meinen anderen Bergschuhen hält die Schnürung auch ohne Nachjustierung.
Die Atmungsaktivität ist erstklassig – vielleicht wirklich durch die fehlende Gore-Tex-Membran – jedoch ist auch dieser Schuh kein Wunderwerk und kommt in Bezug auf die Atmungsaktivität bei über 30° an seine Grenzen.
Die fehlende Membran habe ich aber sogar bei nordenglischem Wetter nicht bereut, denn ich hatte nur minimal feuchte Socken, die ich wohl auch bei einem
wasserdichten Halbschuh bekommen hätte. Einzig das Stretchnetz an der Zunge lässt Wasser eindringen, wenn man den Schuh komplett untertaucht, der Rest des Schuhs hielt aber auch nach ein paar Stunden Wandern im Matsch noch dicht. Stellt man ihn dann zum Trocknen ins Warme, ist er sehr schnell wieder einsatzbereit.
Ein weiterer Vorteil, den ich erst im Laufe der Verwendung und im Vergleich zu meinen anderen Schuhen bemerkte, ist die Gewichtsersparnis. Ich kann länger ein hohes Tempo gehen, ich kann leichter klettern und ich stolpere nicht so leicht beim Bergabgehen, da ich nicht so viel Schuh zu heben habe. Ich spiele daher sogar mit dem Gedanken, diesen Schuh für meine nächsten Skandinavientouren zu wählen.
Das Einzige, das ich kritisieren könnte, sind die für mich viel zu langen Schuhbänder. Ich muss diese immer unter die Schnürung im Vorfußbereich stecken, damit sie nicht störend herumbaumeln. Man kann sich aber auch einfach kürzere nachkaufen und die zu langen Bänder ersetzen.
Für mich ist der Wildfire Pro von Salewa der perfekte leichtgewichtige Allround-Schuh für die Berge in den schneefreien Monaten und Höhen.
Halbschuhe am Berg
Kein Vorteil ohne Nachteil – das gilt auch hier. Ein leichter Schuh, auch mit modernsten
Materialien, ist nicht so steif oder stabil wie ein knöchelhoher Wanderschuh. Halbschuhe oder Turnschuhe sind für Anfänger, Menschen mit schwachen Bändern oder für Wanderer, die zum Umknicken neigen eher ungeeignet. Natürlich gibt es eine Vielzahl leichter Wege, die super mit Turnschuhen zu bewältigen sind, aber es finden sich doch auch auf diesen Wegen immer wieder kurze anspruchsvollere Passagen. Dementsprechend sollte der Schuh nach der schwierigsten Stelle des Weges gewählt werden und im Zweifelsfall ein festerer Schuh zum Einsatz kommen.
Der Wildfire Pro oder andere Zustiegsschuhe meistern den Spagat zwischen Gehkomfort und Kletterperformance sehr gut. Von Turn- oder Laufschuhen würde ich eher abraten. Sie sind sehr weich und besitzen eine Sohle, die nicht für den Einsatz am Berg konzipiert ist. Zusätzlich sind viele Laufschuhe aus einem hochatmungsaktiven Meshmaterial, das sehr schnell Wasser durchlässt. Eine kleine Extranische nehmen hier Trailrunners ein – Laufschuhe für den Berg. Sie sind steifer, weniger gedämpft als Straßenlaufschuhe und haben ein sehr griffiges Profil.
Steigt man von knöchelhohen, festen Schuhen auf Zustiegsschuhe um, sollte man die ersten Touren mit besonderer Vorsicht und etwas entspannter angehen. Nicht nur, weil man neue Schuhe meistens erst einlaufen muss, sondern auch, um sich an die fehlende Stütze im Knöchelbereich zu gewöhnen.
Fazit
Der Wildfire Pro ist eine klare Empfehlung meinerseits, wenn man sich mit dem Konzept eines Zustiegsschuhs anfreunden kann. Er deckt einen breiten Einsatzbereich ab und macht so die Entscheidung „Welche Schuhe ziehe ich heute an?” erheblich leichter – und das alles mit einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis.
Ein Gedanke zu “Salewa Wildfire Pro – Warum ich Halbschuhe (meistens) den festen Bergstiefeln vorziehe”